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Ferngesteuerter Lkw

Wie 5G die Logistik effizienter macht

05.01.2024
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Der Personalmangel in der Logistikbranche ist groß – 5G könnte Abhilfe schaffen: Auf einem Werksgelände in Giengen an der Brenz transportiert ein ferngesteuert fahrender Lastwagen tonnenschwere Container voller Haushaltsgeräte.

Auf dem Logistikgelände von BSH Hausgeräte steht ein Lkw bereit zur Abfahrt: „Wir haben das Fahrzeug über Nacht an der Elektrotankstelle aufgeladen und können es jetzt acht Stunden automatisiert fahren“, sagt Alexander Müller. Der Lkw-Fahrer steigt ins Cockpit, doch dort hat er heute nichts zu tun. Denn die Zugmaschine fährt ferngesteuert durch den kalten Mittwochmorgen.

Ein paar Meter weiter sitzt sein Kollege Josef Manka im warmen Büro, er trägt ein T-Shirt. Manka gibt Gas, bremst und lenkt von einer Steuerungszentrale aus. In Echtzeit kann er den Lkw sicher und präzise steuern, auf seinen Monitoren sieht er, was außerhalb des Fahrzeugs passiert. Der Lkw ist mit zahlreichen Kameras und Sensoren ausgestattet. Über ein 5G-Mobilfunknetz senden sie Daten aus dem Fahrzeug in die Steuerungszentrale. Von dort funken Steuerbefehle zurück.

Josef Manka steuert den Lkw über ein 5G-Netz aus dem Büro.

Automatisierte Lkw entlasten Fahrerinnen und Fahrer

Müller und Manka waren viele Jahre als Lkw-Fahrer unterwegs. Nun sind sie Teleoperatoren beim Start-up Fernride. Das Münchner Unternehmen hat die Technologie für den ferngesteuert fahrenden Truck entwickelt. Der Job als Lkw-Fahrer ist anstrengend, immer weniger Menschen entscheiden sich für diesen Beruf. „In Deutschland fehlen mindestens 80.000 Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer“, sagt Manka.

Allein auf dem Gelände der BSH werden täglich rund 200.000 Haushaltsgeräte transportiert – und das bisher ausschließlich von Menschen. Durch ferngesteuerte Fahrzeuge können Prozesse effizienter gestaltet und Personalengpässe ausgeglichen werden. Denn perspektivisch braucht es nur noch eine Person, die die automatisierten Fahrzeuge überwacht. Gleichzeitig entwickelt sich rund um die Teleoperation ein völlig neues und attraktives Berufsfeld, über das sich auch die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer freuen. Josef Manka ist froh, dass er nicht mehr so oft auf die Straße muss: „Ich habe einen geregelten Arbeitsablauf, bin mehr zu Hause und habe keine Rückenschmerzen mehr.“

Steuerungszentrale sendet elektronische Impulse an das Fahrzeug

Erhält die Steuerungszentrale einen Auftrag, aktiviert Manka die Zugmaschine über 5G und schaltet in den ferngesteuerten Fahrbetrieb. Das blaue Licht auf dem Dach des Fahrzeugs zeigt an, dass es sich im teleoperierten, also ferngesteuerten Modus befindet. Der Teleoperator drückt auf das Gaspedal und setzt den Lkw in Bewegung. Lenkrad, Gas, Bremse, Schaltung – Mankas Cockpit ist einem echten Fahrerhaus nachempfunden und lässt sich wie gewohnt bedienen. „Man braucht die gleichen Fähigkeiten wie beim Lkw-Fahren: räumliches Sehen, Reaktionsvermögen, Sorgfalt und natürlich ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein“, sagt er. 

Statt einer Windschutzscheibe hat der Teleoperator einen Bildschirm vor sich, der eine Rundumsicht aus dem Fahrzeug zeigt. Die Sensoren und Kameras am Lkw senden Bilder in Echtzeit in den Kontrollraum. So kann Manka auf die Ereignisse oder andere Fahrzeuge auf dem Gelände reagieren. Die von ihm erzeugten Signale werden elektronisch über ein sogenanntes Drive-by-Wire-System an das Fahrzeug übertragen. Eine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe ist nicht mehr nötig.

Im Notfall kann auch sein Kollege Alexander Müller das Steuer übernehmen. Er sitzt derzeit noch als Sicherheitsfahrer im Fahrzeug und kann eingreifen, falls der Lkw nicht mehr weiterkommt. Wenn der Sicherheitsfahrer die Zugmaschine steuert, leuchtet das Licht auf dem Fahrzeugdach grün.

Lenkrad, Gas, Bremse, Schaltung und weitere Bedienelemente – das Teleoperationscockpit ist einem echten Fahrzeug nachempfunden.
Der ferngesteuerte Lkw transportiert Container zwischen den Containerterminals auf dem Gelände hin und her.
Kameras am Lkw funken Bilder von draußen in die Steuerungszentrale.
Der Sicherheitsfahrer kann sich zurücklehnen und beobachten – nur in Notfällen muss er eingreifen.
Sensoren an den Verladetoren stellen über 5G Informationen über die Umgebung bereit und unterstützen Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer auch beim Rückwärtsfahren.

5G sorgt für sicheren Datenaustausch

Die Datenmengen, die Lkw und Leitstelle austauschen, sind groß und müssen in Echtzeit übertragen werden. Dafür wurde auf dem Logistikyard der BSH Hausgeräte ein 5G-Campusnetz installiert. So ein privates Mobilfunknetz steht ausschließlich dem Betreiber zur Verfügung – und der behält die Hoheit über die Daten und kann es für seine Zwecke optimieren. „Wir brauchten eine echtzeitfähige Infrastruktur, die geringe Latenzzeiten und hohe Übertragungsraten ermöglicht. Denn das Fahrzeug muss bremsen, bevor es einen Fußgänger erfasst“, erläutert Carina Nitschke, die das Projekt in Giengen steuert. Nitschke und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Zentrum für Digitale Entwicklung (ZDE) haben das Campusnetz auf dem Gelände geplant und den Aufbau betreut. „Wir haben insgesamt fünf 5G-Antennen an bereits vorhandene Lichtmasten montiert, sodass wir keine zusätzliche Trägerinfrastruktur aufbauen mussten“, ergänzt Henrik Ebner, Projektleiter bei BSH.

Carina Nitschke vom Zentrum für Digitale Entwicklung (ZDE) steuert das 5G-Projekt.

Inzwischen ist der ferngesteuerte Lkw in das Yard Management der BSH, also die Verwaltung und Steuerung des Hofs, vollständig integriert. Aktuell übernimmt er den Transport zwischen den beiden Containerterminals. Dort wechseln die Container von der Zugmaschine auf den Eisenbahnwaggon oder auf einen anderen Lkw. Nach und nach sollen auf dem 175.000 Quadratmeter großen Gelände weitere Strecken und Ladungsträger hinzukommen.

Nach vier Stunden teleoperiertem Fahren steigt Josef Manka vom Fahrersitz. „Wir wechseln uns spätestens alle vier Stunden ab.“ Manka setzt sich nun als Sicherheitsfahrer in den Truck, sein Kollege Müller geht in die Steuerungszentrale.

Auch normale Lkw profitieren von 5G

Die Projektpartner, zu denen auch der Entwicklungsdienstleister ITK Engineering und der Landkreis Heidenheim gehören, testen auf dem BSH-Gelände weitere 5G-Anwendungen, zum Beispiel ein Assistenzsystem für Verladetore. Es soll Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer dabei unterstützen, sicher an ein Tor heranzufahren. „Wenn ein Lkw sich rückwärts auf das Tor zubewegt, sieht die Fahrerin oder der Fahrer nicht, was zwischen dem Tor und dem Container passiert“, erläutert Henrik Ebner. Deshalb wurden einige Tore mit Sensoren ausgestattet. Sie stellen über 5G Informationen über die Umgebung bereit.

Das Projekt vereinfache nicht nur die Logistikprozesse am BSH-Standort und wirke dem Personalmangel entgegen, sagt Henrik Ebner. Es sei auch eine Blaupause: „Unsere Erkenntnisse auf andere Standorte zu übertragen, ist der nächste logische Schritt.“

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