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Jena

5G-Vernetzung hält Verkehr im Fluss

17.11.2022
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Für einen nachhaltigen und klimafreundlicheren Verkehr setzt die Stadt Jena auf Elektromobilität. Damit das Stromnetz der steigenden Nachfrage standhält, werden Ladevorgänge mithilfe von 5G optimiert.

Der Bus der Linie 15 fährt täglich vom Jenaer Westbahnhof bis zur Haltestelle Rautal und wieder zurück. Es ist die erste voll elektrisch angetriebene Buslinie der Stadt. Nach jeder Runde kann der E-Bus, wenn nötig, an der Ladestation am Westbahnhof wieder Energie tanken. Die Stadt setzt auch an anderen Stellen auf klimafreundliche Mobilität: „Wir schreiben das Thema Umweltmobilität in der Stadt Jena sehr groß“, sagt Benjamin Koppe, Dezernent für Finanzen, Sicherheit, Bürgerservice und Digitalisierung. Bürgerinnen und Bürger können sich E-Roller leihen oder die Straßenbahn nutzen, die seit mehr als 120 Jahren elektrisch betrieben wird. Auch die Zahl der privaten Elektrofahrzeuge hat in Jena in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Die Nachfrage nach Lademöglichkeiten steigt, was Herausforderungen mit sich bringt: „Die große Aufgabe ist es, diese so ans Netz anzubinden, dass mit möglichst wenig Ausbau trotzdem alle gut versorgt sind“, erklärt Burkhard Heidrich von den Stadtwerken Jena. Lösungen dafür entwickeln die Stadtwerke gemeinsam mit dem Jenaer Nahverkehr und der Hochschule Mittweida. Im Projekt „Energie- und Lastflussoptimierung“ erproben sie, wie sich die Lasten im Stromnetz in Vierteln mit hohem Anteil an E-Mobilität optimieren lassen. Ein wichtiger Baustein dabei ist 5G-Mobilfunk.

Drei Elektrobusse sind auf der Linie 15 zwischen Westbahnhof und Rautal in Jena unterwegs.

Ladevorgänge werden automatisiert gesteuert

Der blau-weiße Elektrobus der Linie 15 hält unter der Ladestation, die sich neben dem Wartehäuschen befindet. Langsam fährt er seinen auf dem Dach montierten Stromabnehmer aus. Dieser stellt die Verbindung zur Ladestation automatisch her, sodass die Batterie nachgeladen werden kann, während Fahrgäste aus- und einsteigen. Michael Nagel von der Hochschule Mittweida zeigt auf seinem Laptop, wie sich der Ladevorgang im Stromnetz widerspiegelt: „Wir sehen, dass in der Regel die Auslastung hier im Viertel normal ist, aber dann kommt der Bus und bringt die ganzen Lastspitzen mit rein.“

Damit diese Lastspitzen, also kurzzeitig auftretende hohe Leistungsnachfragen, in Zukunft im Stromnetz nicht zur Überlastung führen, wurde von den Projektpartnern ein stationäres Lastmanagementsystem entwickelt. Das System kalkuliert den Energiebedarf der Elektrobusse und plant und koordiniert darauf basierend die Nachladevorgänge. Die relevanten Daten zwischen Bus, Lade- und Trafostation werden dabei über das öffentliche 5G-Mobilfunknetz übermittelt. Das ist in Jena für Telekom- und Vodafone-Kunden bereits seit Mitte 2020 fast flächendeckend vorhanden. Beide Netzbetreiber konnten als Partner für das Projekt gewonnen werden.

Lastmanagementsystem sorgt für ein stabiles Stromnetz

Im Detail sieht das so aus: Startet der E-Bus auf seiner Strecke, meldet er sich von unterwegs automatisch im System an und sendet über das 5G-Netz laufend Informationen an eine Datendrehscheibe – zum Ladezustand, zur bereits zurückgelegten sowie zu der noch bevorstehenden Wegstrecke. Anhand des Fahrplans und der Verkehrslage werden automatisiert Prognosen zur Ankunft an der nächstgelegenen Ladestation erstellt und ebenfalls übermittelt. Aus all diesen Angaben wird dann berechnet, wie viel Energie der Bus für den weiteren Betrieb benötigt und wie schnell er sie in der verfügbaren Zeit nachladen kann – das heißt, es werden die Lade- und dazugehörige Lastkurve ermittelt.

Dann gilt es, diese mit den Messdaten aus der Trafostation, die die Ladestation mit Energie versorgt, abzugleichen: Wie ist die aktuelle Auslastung der Trafostation? Wie viel Leistung kann sie der Ladestation zur Verfügung stellen? Auch hier geschieht die Übermittlung an die Datendrehscheibe automatisiert und über 5G. Darauf basierend entscheidet das System schließlich, ob es die Leistung in vollem Umfang freigibt oder ob der Bus seine Ladeleistung drosseln muss, weil nicht ausreichend Reserven zur Verfügung stehen. Durch diese Steuerung bleibt das Stromnetz stabil, auch wenn viele Verbraucher es gleichzeitig nutzen.

5G-vernetzte Messtechnik zeichnet auf, wie ausgelastet die Trafostation ist. Michael Nagel (links) und Markus Hochstein (rechts) zeigen Burkhard Heidrich, wie sich der Ladevorgang des E-Busses auf die Station auswirkt.

5G-Netz ermöglicht zuverlässige Übertragung

Die Steuerung des Ladevorgangs geschieht in kürzester Zeit, weshalb 5G unerlässlich ist: Über das Mobilfunknetz können die großen Datenmengen mühelos und nahezu verzögerungsfrei übermittelt werden. Vor allem aber bietet es die nötige Zuverlässigkeit: „Das hier ist kritische Infrastruktur, die sichere Übertragung ist also von großer Bedeutung“, betont Michael Nagel.

Gewährleistet wird dies durch das sogenannte „Network-Slicing“: Diese Funktion teilt das 5G-Netz in mehrere virtuelle Netze mit unterschiedlichen Eigenschaften auf. So können in einem Netz zum Beispiel große Datenmengen übertragen werden, während ein anderes für eine Kommunikation in Echtzeit sorgt – ohne dass sich die beiden gegenseitig beeinflussen oder gar behindern. „Das Network-Slicing sorgt dafür, dass auch bei einer hohen Auslastung des Mobilfunknetzes die für unser Lastmanagement wichtigen Daten und Befehle priorisiert und äußerst zuverlässig übertragen werden“, so Nagel.

Auch das Straßenbahnnetz profitiert von 5G

Neben dem stationären Lastmanagementsystem hat die Projektgruppe auch ein mobiles System entwickelt. Es soll in Jenas Straßenbahnnetz zum Einsatz kommen. Das wird gerade modernisiert: „Für die neuen Straßenbahnen, die zukünftig auf den Gleisen des Jenaer Nahverkehrs rollen sollen, müssen höhere Leistungen seitens der Energieversorgung, der Gleichrichterunterwerke und Oberleitungen zur Verfügung gestellt werden“, erklärt Nagel. Auch hier soll das System helfen, die bestehende Infrastruktur besser auszunutzen und vor Überlastung zu schützen.

Dazu wird, ähnlich wie bei den Elektrobussen, eine Voraussage für die von der Straßenbahn benötigte Leistung erstellt, um sie anschließend mit der im Streckenabschnitt verfügbaren Leistung zu vergleichen. Das System meldet mit dem Fahrerassistenzsystem den Straßenbahnfahrerinnen und -fahrern über das 5G-Netz, wenn nicht ausreichend Leistung zur Verfügung steht, sodass sie schnell darauf reagieren können. Das kann zum Beispiel passieren, wenn zu viele Straßenbahnen nach einem Verkehrsstau im gleichen Abschnitt anfahren wollen. Das mobile Lastmanagementsystem verhindert, dass in solchen Situationen das Stromnetz überlastet wird. Über das Fahrerassistenzsystem erfahren die Straßenbahnfahrerinnen und -fahrer, wer wann wieder anrollen darf ­– und das geschieht innerhalb weniger Sekunden.

Fahren seit über 120 Jahren voll elektrisch und bald mit 5G an Bord: die Jenaer Straßenbahnen.

An Verkehrsknotenpunkten, wie etwa dem Holzmarkt im Stadtzentrum von Jena, treffen aber nicht nur viele Straßenbahnen aufeinander, sondern auch viele Fahrgäste sowie Passantinnen und Passanten. Und viele von ihnen nutzen ihr Smartphone, telefonieren und tauschen Daten aus – umso wichtiger ist ein Mobilfunknetz, das dem standhält. 5G macht es möglich, dass alle ohne Einschränkungen gleichzeitig im Netz sein können und Network-Slicing gewährleistet auch hier, dass die Daten der Straßenbahnen trotz vieler Netzzugriffe sicher und mit hoher Priorität da ankommen, wo sie gebraucht werden.

Verkehrsströme mit 5G bewältigen

Das Projekt „Energie- und Lastflussoptimierung“ ist Teil eines größeren Vorhabens. Im Gesamtprojekt steht neben der Elektromobilität auch die Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs im Fokus, wie Projektleiterin Dorothea Prell erklärt: „Wir möchten den Verkehrsfluss in Jena mithilfe einer 5G-basierten Vernetzung optimieren. Das schließt den motorisierten Individualverkehr ebenso mit ein wie den ÖPNV, Radfahrende sowie Fußgängerinnen und Fußgänger.“ Die Idee dazu entstand aus der besonderen Verkehrssituation in Jena. Denn durch die ausgeprägte Kessellage der Stadt im mittleren Saaletal kommt es während der Hauptverkehrszeiten auf den Hauptachsen zu einem massiven Verkehrsaufkommen: „Unter der Woche möchten täglich über 26.000 Pendlerinnen und Pendler in die Stadt, während rund 12.000 in die umliegenden Städte auspendeln“, so Prell. Es entwickeln sich Staus, und während der Stoßzeiten kommt es zu überfüllten Bussen und Straßenbahnen.

Dorothea Prell (Mitte) leitet das Gesamtprojekt „5G-Verkehrsvernetzung“, Benjamin Koppe (rechts) treibt als Dezernent für Finanzen, Sicherheit, Bürgerservice und Digitalisierung Projekte wie dieses in Jena an.

Als Antwort darauf werden im Gesamtprojekt verschiedene 5G-basierte Anwendungen entwickelt, die helfen sollen, Fahrzeiten zu verkürzen, motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, Ampelphasen besser zu koordinieren oder auch Verkehrsteilnehmende schneller mit Informationen zur aktuellen Lage zu versorgen. „Es geht zum einen um mehr Umweltfreundlichkeit durch einen besseren Verkehrsfluss, in dem sich alle Verkehrsteilnehmer besser aufeinander abstimmen können. Zum anderen spielen auch das Thema Verkehrssicherheit und die Frage, wie künftig Unfälle und Kollisionen an gefährlichen Kreuzungen vermieden werden können, eine Rolle“, fasst Benjamin Koppe das Ziel des Projekts „5G-Verkehrsvernetzung“ zusammen, das im Rahmen des 5G-Innovationswettbewerbs durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert wird. Trotz der besonderen Verkehrssituation in Jena sollen die Anwendungen in Zukunft auch für die Mobilität in anderen Städten anwendbar sein: „Am Ende soll das Projekt einen Mehrwert für die Gesellschaft haben, für die Bürgerinnen und Bürger und alle Nutzerinnern und Nutzer des Straßenverkehrs.“

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