Herzpatienten hängen oft an Kabeln. Die Uniklinik Düsseldorf testet Pflaster, die Daten künftig drahtlos über 5G senden. Das macht Patientinnen und Patienten mobil – und ermöglicht eine bessere Behandlung.
Norbert Theis ist startklar. Mit einer Tüte voller Habseligkeiten in der Hand steht er im Gebäude 13.51 des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD). Herr Theis ist Herzpatient und darf nach einer seiner regelmäßigen Untersuchungen nun die Station verlassen.
Auf seiner Brust trägt Herr Theis ein unauffälliges Datenpflaster. Es ist so flach, dass die Konturen nicht einmal durch sein dünnes graues T-Shirt sichtbar sind. Das Pflaster soll Patienten wie ihn zukünftig über 5G-Mobilfunk rund um die Uhr mit seinen behandelnden Ärztinnen und Ärzten verbinden. Noch ist es ein Test – aber ein sehr vielversprechender.
Digitales Pflaster erfasst Vitaldaten
In das weiße Pflaster sind Sensoren integriert, die Vitaldaten aufzeichnen. Sieben Parameter werden gleichzeitig erfasst, darunter der Herzrhythmus, die Atemfrequenz und die Sauerstoffsättigung im Blut. Diese Daten werden per Bluetooth an ein Handy übertragen – und dieses Handy wiederum sendet die Daten in Echtzeit an die Herz-Station des UKD.
Dort stehen gerade zwei Kardiologen vor einem Monitor: Prof. Dr. Dr. med. Christian Jung und Dr. med. Oliver Maier prüfen, ob das System funktioniert. Sie blicken auf fünf EKG-Kurven. Jede dieser Kurven steht für den Herzschlag eines Patienten – und einer von ihnen ist Norbert Theis. Prof. Jung und Dr. Maier zeigen auf Spitzen und Täler, kommentieren Auffälliges.
Die beiden Kardiologen haben hier Menschen im Blick, obwohl diese sich weit außerhalb ihres Blickfeldes bewegen. Bislang eine Besonderheit: „Man muss sich das einmal vorstellen: So etwas läuft heutzutage immer noch kabelgebunden“, sagt Prof. Jung, der leitender Arzt der Abteilung für koronarvaskuläre Kardiologie und konservative Intensivmedizin ist und Leiter weiterer Programme und Zentren an der UKD. „Menschen, die auf eine Herztransplantation warten, sind mitunter zwei bis drei Monate bei uns zur Überwachung auf der Station. Etwas mehr Bewegungsspielraum macht da einen Unterschied in der Lebensqualität.“
Ohne Kabel können sich die Patienten frei bewegen
Eine Liveüberwachung per Funk soll Patienten flexibler machen, sodass sie sich künftig kabellos und dennoch mit der Station verbunden über den Klinik-Campus bewegen können. Wenn hier ausreichend Erfahrungen gesammelt wurden, könnten sie bald auch mit dem Pflaster auf der Brust nach Hause gehen. Gibt es Unregelmäßigkeiten in den Vitaldaten, wird sofort die Station informiert. Das funktioniert auf dem Campus des UKD in Zukunft besonders schnell. Denn das Klinikum hat ein eigenes 5G-Netz installieren lassen: ein 5G-Campusnetz, das ausschließlich für klinische Anwendungen zur Verfügung steht.
„Wir bekommen durch diese Pflaster wirklich mobile Patienten“, sagt Dr. Oliver Maier. Das sei nicht nur angenehm für die Patienten, sondern auch ein Vorteil in der Diagnostik. Ein stationäres EKG zeichnet nur Daten im Ruhezustand auf – und in der unnatürlichen Situation eines Klinikaufenthalts. Mit dem digitalen Pflaster kann die Trägerin oder der Träger den ganz normalen Alltag weiterleben. Was denken Herzpatientinnen und -patienten über den Funksender auf ihrer Brust? Dr. Maier muss nicht lange über die Frage nachdenken: „Unsere Patienten sind meist über 70 und begeistert, was heutzutage technisch möglich ist.“
Künftige digitale Pflaster funktionieren ohne Handy
Dr. Maier hat es selbst getestet: „Ich war damit joggen und auch duschen.“ Eine Woche lang sendete das Pflaster ununterbrochen Daten – dann ist bei dem aktuellen Modell der Akku leer. Modernere Versionen werden folgen: Es gibt bereits digitale Pflaster, die sich ganz ohne den Umweg über ein Handy selbst ins Mobilfunknetz einwählen. Doch wie alle Medizinprodukte müssen auch diese Geräte erst für den Einsatz zertifiziert werden.
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Später könnte ein solches System auch in der Notaufnahme für Entlastung sorgen. „Wer sich dort mit Herzproblemen vorstellt, könnte künftig direkt ein solches Patch erhalten“, sagt Prof. Jung. „Wir würden dann die Wartezeit besser nutzen und währenddessen Daten generieren, die uns bei der Diagnose helfen.“ Der Patient oder die Patientin müsste nach ungenutzter Wartezeit nicht mehr an ein stationäres EKG angeschlossen werden. „So würden weniger Betten in der Notaufnahme besetzt“, sagt Jung.
5G-Pflaster im Einsatz
5G soll Virtual Reality während Operationen ermöglichen
Unter Prof. Jungs Leitung entstehen noch weitere 5G-Anwendungen in der Herzmedizin. Für eine davon testet sein Team Virtual-Reality-Brillen, die mit dem 5G-Netz verbunden werden sollen. Künftig sollen Ärztinnen und Ärzte über die Brille ihre Patienten vor und während einer Operation virtuell in 3D betrachten. Bevor sie beispielsweise einen Schnitt am echten Herzen ausführen, können sie sich das digitale Modell durch ein Verfahren der sogenannten Fusionsbildgebung von allen Seiten ansehen. Die Daten hierfür werden aus verschiedenen klinischen bildgebenden Verfahren erzeugt: Bilder aus Computertomografie (CT), Magnetresonanztherapie (MRT) und Ultraschall werden zu einem dreidimensionalen Modell fusioniert.
„Wir erzeugen diese Datensätze, schauen sie uns aber bislang nur zweidimensional auf einem Monitor an“, sagt Dr. Houtan Heidari, der die Arbeit mit der Brille testet. Sobald das System funktioniert und zugelassen ist, könnte es zum Beispiel beim Ersatz von Herzklappen helfen. „Man kann sich die Aortenklappe, die zwischen der Hauptschlagader und dem Herzen liegt, von allen Seiten virtuell angucken, sie noch einmal vermessen und dann entscheiden, welche neue Klappe man auf welche Weise implantieren möchte.“
Die großen Datensätze selbst müssen nicht auf die Brille geladen werden, sondern werden dann bald drahtlos über das klinikeigene 5G-Netz von einem Server abgerufen. Das spart ganz nebenbei auch noch Kabel, die Stolperfallen im OP-Saal sind und nach jedem Einsatz steril gereinigt werden müssten.
5G-Medizincampus Düsseldorf
Das Universitätsklinikum Düsseldorf wird im Projekt „Giga for Health“ zum 5G-Medizincampus. Die Landesregierung fördert dies im Rahmen des Innovationswettbewerbs 5G.NRW. Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel zu:
■ dem 5G-basierten Schlaganfall-Netzwerk.
■ der 5G-Anwendung bei Transplantationen.
Das rund 400.000 Quadratmeter große Gelände erhält ein privates 5G-Netz (Campusnetz). Auf einem Gebäude wurde ein schon bestehender Funkmast vom Netzbetreiber Vodafone (Konsortialpartner des Förderprojekts) aufgerüstet. Innerhalb der Gebäude sind an 250 Positionen kleine Antennen installiert worden, die 4G und 5G senden. Patientinnen und Patienten, Besuchende und Beschäftigte profitieren zusätzlich, weil der Netzbetreiber mithilfe dieser Antennen auch das öffentliche Netz in den Gebäuden verstärkt.
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