Manche Menschen befürchten, 5G könnte ihrer Gesundheit schaden: Ob Schlafstörungen, Tinnitus oder Kopfschmerz – einige Personen glauben, dass sie elektromagnetische Felder wahrnehmen und die Folgen am eigenen Leib spüren. Aber kann das überhaupt sein? Wir klären über die häufigsten Beschwerden auf und beantworten drängende Fragen.
Schwindel, Kopfschmerz, Schlafstörung, Tinnitus? Wurde nicht gerade in der Nachbarschaft ein Handymast gebaut? Seit fast 40 Jahren führen Menschen teils schwere Krankheitssymptome auf elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder zurück. Ein möglicher Einfluss dieser Felder auf das körperliche und mentale Wohlbefinden wird oft mit dem Sammelbegriff „Elektrosensibilität“ umschrieben.
Früher machten die Betroffenen noch den Haushaltsstrom für ihre teils starken und messbaren Beschwerden verantwortlich. Seit der Ausbau der Mobilfunknetze voranschreitet, vermutet circa ein Drittel von ihnen, dass hochfrequente elektromagnetische Felder (EMF) der Grund für die Symptome seien. Zu den genannten Beschwerden zählen neben Hauterkrankungen wie Rötungen, Prickeln oder Brennen auch Gliederschmerzen, Erschöpfung, Herzklopfen, Nasenbluten, Übelkeit, Verdauungsstörungen, eine verminderte Lern- und Leistungsfähigkeit sowie Probleme mit der Gedächtnis- oder Reaktionsfähigkeit. Viele dieser Menschen treibt nun die Angst um, dass sich ihre Symptome durch den 5G-Netzausbau verstärken könnten.
Eine „idiopathische Umweltintoleranz gegenüber elektromagnetischen Feldern" (IEI-EMF) wird umgangssprachlich auch als "Elektrosensibilität" oder „elektromagnetische Hypersensibilität (EHS)" bezeichnet. Betroffene vermuten, dass sie eine stärkere Empfindsamkeit oder Anfälligkeit gegenüber elektrischen, magnetischen oder elektromagnetischen Feldern haben als andere Menschen. Vor allem in den Industrieländern, insbesondere in Deutschland und Skandinavien, gibt es Bevölkerungsgruppen, die sich als „elektrosensibel“ einschätzen – auch wenn Betroffene selbst diesen Begriff so gut wie nie verwenden. In Deutschland liegt der Anteil der Menschen, die solche Wirkungen beschreiben, an der Gesamtbevölkerung zwischen 1,5 und 10 Prozent. Bei einigen dieser Menschen besteht ein solcher Leidensdruck, dass sie sich aus dem sozialen Raum zurückziehen.
Seit Beginn der 80er-Jahre wurde der Zusammenhang zwischen den genannten Symptomen und elektrischen, magnetischen oder elektromagnetischen Feldern in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien untersucht:
Zu den am häufigsten wahrgenommenen Symptomen einer möglichen Elektrosensibilität zählen Schlafstörungen oder eine schlechtere Schlafqualität. Belege für einen Zusammenhang fehlen jedoch bislang. Bisher konnte keine Studie negative Einflüsse von elektromagnetischen Feldern auf das Schlafverhalten nachweisen. In einigen Studien war zu beobachten, dass die Schlafqualität schlechter wurde, sobald eine Basisstation in der Nähe des eigenen Wohnhauses installiert wurde. Die Schlafgüte verschlechterte sich jedoch unabhängig davon, ob die Station eingeschaltet war oder nicht. Es liegt deshalb nahe, dass sich der Schlaf durch die Sorge vor Gesundheitsschäden verschlechterte – und nicht durch die elektromagnetischen Felder selbst.
Ein Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und dem Wohlbefinden beziehungsweise der kognitiven, also geistigen Leistungsfähigkeit von Erwachsenen oder Kindern konnte in wissenschaftlichen Studien nicht nachgewiesen werden. Studien mit jungen und älteren Mobilfunknutzern zeigen, dass Handys, nicht Mobilfunkmasten, die Gehirnaktivität in geringfügigem Ausmaß beeinflussen können, dies wird jedoch nur in einem EEG sichtbar. Dieser Effekt ist subjektiv nicht wahrnehmbar und spiegelt sich nicht im Verhalten, in der kognitiven Leistungsfähigkeit oder der Schlafqualität wider.
Im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms (DMF) des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) konnte in keinem der drei durchgeführten Projekte ein Einfluss des Mobilfunks auf das Hör- und Sehvermögen nachgewiesen werden. Insbesondere eines konnte bestätigt werden: Die Nähe zu Strahlungsquellen löst keinen Tinnitus aus.
Nationale wie auch internationale Studien zeigen einheitlich: Menschen können elektromagnetische Felder nicht wahrnehmen. Auch ein Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern im Bereich unterhalb der Grenzwerte und gesundheitlichen Beschwerden, wie beispielsweise Schlafstörungen oder Tinnitus, konnte bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden. Eine objektive und nachprüfbare Diagnose für Elektrosensibilität gibt es derzeit nach Angaben des BfS nicht. Ein plausibler Wirkmechanismus ist nicht bekannt. Die durchgeführten Untersuchungen legen insgesamt nahe, dass kein gesundheitliches Risiko besteht. Diese Einschätzung des Bundesamts für Strahlenschutz wird auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie vom wissenschaftlichen Gremium der EU zur Bewertung aufkommender und neu identifizierter Gesundheitsrisiken (SCENIHR) der Europäischen Kommission geteilt.
Das Bundesumweltministerium (BMUV) plant weitere Untersuchungen zum Einfluss der elektromagnetischen Felder auf das Wohlbefinden und die Gesundheit, um so mögliche Risiken auszuschließen. Neue Studien berücksichtigen auch den Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes. Die aktuellen Forschungsvorhaben des BfS zum Thema Mobilfunk finden Sie hier.
Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass achtsame verhaltenstherapeutische Maßnahmen die Symptome von elektrosensiblen Patientinnen und Patienten lindern können. Deshalb liegt es nahe, dass die Beschwerden zumindest teilweise psychosomatischer, also der gedanklichen Vorstellung entsprungener Natur sind. Beschwerden werden möglicherweise durch den sogenannten Nocebo-Effekt hervorgerufen:
Der Nocebo-Effekt beschreibt ein Phänomen ähnlich dem Placebo-Effekt. Beim Placebo ruft die Aufnahme bestimmter Substanzen, die keinen Wirkstoff enthalten, Reaktionen hervor. Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Studien erhalten beispielsweise nur eine Zuckerpille anstelle des tatsächlichen Wirkstoffes. Sie entwickeln aber trotzdem eine dem Wirkstoff entsprechende oder nahekommende positive Reaktion. Im Gegensatz zum Placebo werden die Auswirkungen des verabreichten wirkungslosen Mittels beim Nocebo-Effekt als weitgehend negativ wahrgenommen.
Auf den Mobilfunkmast übertragen: Manche Menschen entwickeln unmittelbar mit dem Bau eines Mastes Symptome. Teilweise sogar, obwohl der Mast nicht sendet und von keinem elektromagnetischen Feld umgeben ist. Beim Nocebo-Effekt macht also die Einstellung zum Umwelteinfluss „Strahlung" krank. Das ist eine psychologisch plausible und verbreitete Reaktion.
Die Symptome, die Patientinnen und Patienten von IEI-EMF entwickeln, entstehen also nicht durch die elektromagnetischen Felder selbst. Sie werden möglicherweise beim Anblick einer Mobilfunkanlage oder Stromleitung ausgelöst – durch die Erwartung und Besorgnis, dass diese Anlagen Beschwerden hervorrufen können. In Studien des DMF entwickelten Testpersonen beispielsweise auch dann Beschwerden, wenn Mobilfunkmasten zwar bereits errichtet, aber noch nicht angeschlossen waren (Scheinexposition). Das Auftreten von Symptomen kann auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein, wie etwa schlechte Raumluft oder Stress im Arbeits- oder Lebensumfeld.
Oft schreiben Patientinnen und Patienten den elektromagnetischen Feldern Symptome zu, denen tatsächlich eine körperliche Erkrankung zugrunde liegt. Da gesundheitliche Beschwerden in jedem Fall ernst zu nehmen sind, sollten betroffene Personen dringend medizinischen Rat einholen.
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