Jedes Jahr prüft die Bundesnetzagentur tausende Mobilfunkstandorte. Senden die Antennen korrekt? Und sind die neuen 5G-Anlagen ordnungsgemäß montiert? Um das zu erfahren, klettern die Kontrolleure Thomas Weidemann und Artem Rudov auf die Dächer Berlins.
Die Luft ist klar an diesem Vormittag und die Sonne scheint aus dem wolkenlosen Himmel. Vom Hausdach nahe dem Nordbahnhof sind viele Wahrzeichen Berlins wie das Charité-Hochhaus und der Fernsehturm erkennbar. Doch Thomas Weidemann hat gerade keine Zeit, den Blick über die Hauptstadt zu genießen. Er klappt konzentriert eine Akte auf und vertieft sich in eine Bauzeichnung.
Sein Blick wandert zwischen der Zeichnung und mehreren Mobilfunkantennen hin und her. Weidemann blinzelt der Mittagssonne entgegen – und hat eine Abweichung gefunden. Die frisch montierten 5G-Antennen sitzen etwas tiefer als auf dem Plan verzeichnet. „Das ist kein großes Problem“, sagt Weidemann, „aber es muss schon alles richtig sein.“ Zurück im Büro wird Weidemann deshalb ein Protokoll schreiben. Dies wird dazu führen, dass der Betreiber seine Anlage entweder umbauen oder geänderte Unterlagen einreichen muss.
Bundesnetzagentur begutachtet tausende Antennen
Von zehn Außenstellen in Deutschland schwärmt der Prüf- und Messdienst der Bundesnetzagentur aus. Weidemann und sein Berliner Team kontrollieren unangekündigt etwa 250 Funkstandorte pro Jahr, bundesweit sind es rund 2.500 Kontrollen. Die Fachleute sind eine Art Ordnungsamt für den Bereich Funk. Sie prüfen, ob die Betreiber der Standorte tatsächlich alles so umsetzen, wie es ihnen genehmigt wurde.
Jede Mobilfunk-Basisstation benötigt in der Regel eine Standortbescheinigung. Sie regelt, wie die Anlage aufgebaut sein darf und wie viel Sicherheitsabstand nötig ist. Stellen die Kontrolleure Abweichungen fest, bekommen die Betreiber Post von der Bundesnetzagentur. Sogar Bußgelder sind möglich, aber selten. In den allermeisten Fällen gibt es keine Beanstandungen.
Fachleute prüfen Abstände und Antennenleistung
Ein Bußgeld wird auch nach der Kontrolle am Berliner Nordbahnhof voraussichtlich nicht fällig. Denn parallel erfasst Weidemanns Kollege Artem Rudov weitere Werte – und findet keine Abweichungen von der Genehmigung. Mit einem kleinen Gerät, das aussieht wie ein Fernglas, misst Rudov die Distanz zwischen Antenne und dem nächsten Wohnhaus. 30 Meter Abstand sind an dieser Stelle Pflicht, 52 sind es – das passt. Auch ein Check mit dem GPS-Kompass bestätigt: Die Antennen sind genauso ausgerichtet wie genehmigt. Abschließend holt Rudov ein großes, gelbes Messgerät hervor und prüft alle Aussendungen der Antennen. Weidemann notiert die Werte. 2G-, 4G- und 5G-Mobilfunk sind auf diesem Dach parallel in Betrieb. Die Fachleute stellen fest: Alle Aussendungen der Antennen sind dem Mobilfunkbetreiber so genehmigt worden.
Für die Richtigkeit der Sicherheitsabstände würde ich mir die Hand abhacken lassen, so vorsichtig sind sie kalkuliert.
Thomas Weidemann
Auf dem Dach bewegen sich die Kontrolleure im sogenannten kontrollierbaren Bereich – er ist für die Öffentlichkeit tabu. Aber selbst hier können sich Weidemann und Rudov gefahrlos aufhalten. Ein Messgerät am Körper würde sie vor einer zu hohen Strahlendosis warnen, doch der sogenannte „RadMan“ piept an diesem Tag kein einziges Mal. Antennen, die außerhalb des kontrollierbaren Bereichs die zulässigen Grenzwerte überschreiten, finden Weidemann und Rudov praktisch nie. Meist gibt es einen großzügigen Puffer in der Genehmigung, erläutert Weidemann und wird noch konkreter: „Die Betreiber beantragen in der Standortbescheinigung meistens eine viel höhere Leistung, als sie tatsächlich nutzen.“
Mobilfunk muss strenge Grenzwerte einhalten
Wenn Weidemann unterwegs ist, gut erkennbar im blauen Poloshirt mit schwarz-rot-goldenem Logo, stellen auch Hausbewohner Fragen zu den Antennen gleich über ihrer Wohnung. Weidemann gibt gerne Auskunft und erläutert: „Niemand muss sich Sorgen über die Antennen auf seinem Dach machen. Die Antennen strahlen ja vom Dach weg in die Umgebung – nicht nach unten.“ Und in der Umgebung sei für genügend Abstand gesorgt. Das elektromagnetische Feld wird bei Entfernung vom Sender schwächer – der Energiegehalt nimmt im Quadrat zum Abstand ab. Im Zweifel erhalten die Anlagen keine Standortbescheinigung, dürfen also erst gar nicht in Betrieb gehen.
Die Arbeit der Mobilfunk-Kontrolleure
Weidemann, Rudov und die anderen Spezialisten von der Bundesnetzagentur stützen sich auf jahrzehntelange Erfahrung. Weidemann etwa begann 1989 beim Funkkontrolldienst der damaligen Bundespost. Abstände und Grenzwerte seien das Ergebnis aufwendiger Forschungen, sagt Weidemann und fügt in aller Deutlichkeit hinzu: „Für die Richtigkeit der Sicherheitsabstände würde ich mir die Hand abhacken lassen, so vorsichtig sind sie kalkuliert.“
Behörde kann auch Bußgelder verhängen
Drei ausführliche Kontrollen schaffen die Spezialisten an diesem Tag. Auch auf einem Haus im Prenzlauer Berg und einem anderen im Stadtteil Wedding sind die Aussendungen okay. Dafür finden die Kontrolleure auf einem Dach ein anderes Problem: Einer der Aufgänge ist nicht abgeschlossen. Nur ein Versehen des Hausmeisters? Mehrere Satellitenschüsseln auf dem Dach deuten darauf hin, dass Mieter hier Zutritt haben. Doch das ist verboten – der „kontrollierbare Bereich“ in der Nähe der Mobilfunkantennen ist schließlich tabu. Weidemann macht sich Notizen, Rudov fotografiert. Die Beobachtungen landen schließlich bei Kollegen in Magdeburg. Sie werden eine Stellungnahme des Betreibers anfordern, der für seine Antennen das Dach gemietet hat.
Die Tätigkeit der Kontrolleure ist immer penibel und oft ähnlich einer Detektivarbeit. „Wir haben auf Dächern schon leere Bierflaschen gefunden“, erzählt Weidemann, „ein Hinweis darauf, dass Menschen im kontrollierbaren Bereich eine Party gefeiert haben.“ Solche Beobachtungen sind aber die absolute Ausnahme, betont er. „Die Betreiber setzen unsere Anmerkungen schnell um“, sagt Weidemann. „Manche Betreiber sind sogar dankbar, wenn wir Fehler finden, denn so können sie ihr Qualitätsmanagement verbessern.“ Schließlich sind sichere Anlagen im Interesse der Öffentlichkeit und auch der Firmen.
Die EMF-Karte
Die Bundesnetzagentur zeigt auf ihrer EMF-Karte die Standorte von Mobilfunkanlagen in ganz Deutschland. Verzeichnet sind alle Funkmasten und Dachstandorte, die zur Genehmigung eine Standortbescheinigung erhalten haben. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann online die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände einsehen und auch, in welche Richtung die Antennen ausgerichtet sind. Die EMF-Karte verzeichnet außerdem Small Cells, die in Gebieten mit hoher Nachfrage kleine Funkzellen bilden. Wie das Standortverfahren funktioniert und wie Standortbescheinigungen erteilt werden, beschreibt dieser Artikel noch einmal ausführlich.
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