Sie will es ganz genau wissen: Mit modernster Technik misst Anna-Malin Schiffarth die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks. Wie stark strahlen 5G-Antennen? Ein Besuch bei der Wissenschaftlerin an der RWTH Aachen.
Anna-Malin Schiffarth steht hoch oben auf einem Flachdach und fühlt sich unwohl. Das liegt aber nicht an den Mobilfunkantennen, die hier montiert sind. Schiffarth hat schlicht ein wenig Höhenangst – Dächer sind nicht ihr liebster Arbeitsplatz. Die Antennen hingegen lösen in ihr keine Bedenken aus. Sie sind ein wichtiger Forschungsgegenstand ihrer Arbeit.
Anna-Malin Schiffarth ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hochfrequenztechnik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Sie beschäftigt sich mit den Immissionen durch Mobilfunk und insbesondere mit der neuesten Mobilfunkgeneration 5G. Oder etwas genauer ausgedrückt: mit den hochfrequenten elektromagnetischen Feldern, die im Mobilfunk verwendet werden, um Daten zu übertragen. Schiffarth entwickelt mit ihren Kolleginnen und Kollegen Messverfahren, mit denen sich die Immissionen des Mobilfunks erfassen lassen – auch jene der neuesten 5G-Antennen.
Schiffarth untersucht Strahlung in Praxistests
Die Untersuchungen hierfür finden unter anderem praxisnah im Umfeld von Basisstationen statt, die mit der neuen Beamforming-Technologieausgestattet sind. „Die Technik dahinter wird auch Massive MIMO genannt. Hiermit ist es möglich, die sogenannten Beams horizontal und vertikal in der Zelle zu schwenken und auf die jeweiligen Nutzer auszurichten“, erläutert Schiffarth. Durch die Möglichkeit zum Beamforming wird aber die Erfassung der am Messort maximal möglichen Immission deutlich erschwert. Um zu überprüfen, ob die Grenzwerte eingehalten werden, muss sie jedoch die Immissionen für den ungünstigsten Fall (Worst Case) bestimmen, also bei voller Anlagenauslastung und maximal vorgesehener Sendeleistung. An einer Möglichkeit, trotz Beamforming die Grenzwerteinhaltung für den Worst Case bestimmen zu können, forscht Schiffarth mit ihren Kolleginnen und Kollegen.
Das Team verfügt an der RWTH Aachen auch über einen Raum, der aussieht wie ein Tonstudio: seine schwarzen Wände und die Decke sind voller Waben. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeichnen hier in der Antennenmesskammer jedoch keine Lieder auf. Sie bestimmen dort das Abstrahlverhalten von Antennen und Antennensystemen mit hoher Genauigkeit in einem Umfeld, das dank der speziellen Wände keine elektromagnetischen Wellen reflektiert.
Die Forschungsergebnisse helfen den Behörden
Wem nützt das? Am Ende allen Menschen. Denn die entwickelten Messverfahren werden auch von Behörden angewendet. In einer Messkampagne für das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen untersuchte das Aachener Team die Umfelder von 5G-Mobilfunksendeanlagen. Ihr wichtigstes Ergebnis laut dem Zwischenbericht: Bei allen untersuchten 5G-Standorten werden auch bei maximal möglicher Anlagenauslastung die Grenzwerte der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) sicher eingehalten. Neben den Untersuchungen für den Menschen untersuchte Schiffarth in der Vergangenheit auch zum Beispiel, wie 5G-Antennen auf medizinische Geräte aus dem Klinikalltag wirken. An der Uniklinik Düsseldorf entsteht ein 5G-Medizincampus. Aber vertragen sich die neuartigen Antennen auch mit Spritzenpumpen, die schon mehrere Jahre alt sind – also aus dem Zeitalter vor 5G stammen? Die Fachleute der RWTH Aachen untersuchten dies ganz praktisch, indem sie in einer Laborsituation verschiedene medizintechnische Geräte ganz gezielt bestrahlten. Mit einem beruhigenden Ergebnis: „Wir haben in unseren Untersuchungen rund 90 Prozent der Geräte abgedeckt und sie besonders starken Einflüssen ausgesetzt. Wir haben dabei keine einzige Störung festgestellt“, sagt Schiffarth.
Die Wissenschaftlerin sieht keinen Grund zur Besorgnis
Schiffarth ist häufig draußen unterwegs – nicht nur auf Dächern, sondern auch auf Straßen und Plätzen. Mit ihrem gelben Messgerät fällt die Wissenschaftlerin auf und wird auch schon einmal angesprochen. Sie erklärt ihre Arbeit gerne, denn im Grunde ist das schnell getan: Schiffarth misst, wie hoch die elektromagnetischen Felder aller Funkanwendungen sind, die uns im Alltag umgeben. Ihr gelbes Gerät erfasst auch die Funkwellen von Radio und Fernsehen.
Auf ihren Messungen schauen Schiffarth und ihre Kolleginnen und Kollegen auch, ob die gesetzlich festgelegten Grenzwerte eingehalten werden. Das ist ihrer Erfahrung nach in öffentlich zugänglichen Bereichen stets der Fall, und auch die zuständige Bundesnetzagentur bestätigt dies. „Überall dort, wo ich bis jetzt gemessen habe, wurden die Grenzwerte eingehalten – und das war schon an sehr, sehr vielen Messpunkten“, sagt sie. Schiffarth hofft, mit ihrer Arbeit aufzuklären. Denn Angst vor der Höhe ist berechtigt – vor 5G-Mobilfunk hingegen überhaupt nicht nötig.
Schauen Sie sich die Arbeit von Anna-Malin Schiffarth auch in unserer Videoserie „Mensch & Maschine“ an:
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