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24-Stunden-Test

Wir messen Funkstrahlung im Alltag

21.12.2021
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Für den Mobilfunk gelten klare gesetzliche Regeln. Wie stark schöpft die Funkstrahlung die geltenden Grenzwerte aus? Sybille und Jens machen den Alltagstest. Sie tragen 24 Stunden lang ihre Messgeräte durch Berlin – vom Büro bis ins Bett.

Alle sechs Sekunden blinkt die rote Lampe des Messgeräts. 10-mal pro Minute, 600-mal pro Stunde, 14.400-mal pro Tag. Jedes Blinken signalisiert eine Messung, exakt im Sechs-Sekunden-Rhythmus zeichnet das Gerät die elektromagnetischen Feldstärken auf. Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk – was auch kein Wunder ist: Das Messgerät, ein sogenanntes Exposimeter, stammt aus der Schweiz.

Zwei Mitarbeitende von „Deutschland spricht über 5G“, Sybille und Jens, nahmen jeweils ein Exposimeter mit in ihren Alltag. Im Anschluss haben Fachleute des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) die Daten ausgewertet. Ihre Ergebnisse dürften all jene überraschen, die sich vor Funkmasten oder Handystrahlung fürchten: Selbst im digital bestens vernetzten Berlin werden die Grenzwerte in diesem Versuch sehr weit unterschritten.

Strahlung liegt überall weit unterhalb der Grenzwerte

Bei Jens wurde das gesetzliche Limit im Schnitt nur zu 0,03 Prozent ausgeschöpft, bei Sybille sogar nur zu 0,012 Prozent. Was bedeutet das?

  • Der Mobilfunk nutzt elektromagnetische Felder (EMF) zum Senden von Daten. Felder, die von Funkanlagen wie einem Mobilfunkmast ausgehen, sind durch Grenzwerte reguliert.
  • Aufgabe der Grenzwerte ist es, die sogenannte thermische Wirkung zu begrenzen. Mit thermischer Wirkung ist das Erwärmen des Gewebes gemeint, wenn beispielsweise Funkstrahlung auf unseren Körper trifft. Doch erst ab einer dauerhaften Erwärmung des ganzen Körpers um mehr als 1 Grad Celsius treten gesundheitsrelevante Wirkungen auf.
  • So weit kommt es in der Praxis aber nicht. Denn die international anerkannten Grenzwerte sind strenger. Unser Körper würde sich um 1 Grad Celsius erwärmen, wenn er ungefähr 4 Watt Leistung pro Kilogramm Körpergewicht über einen Zeitraum von 30 Minuten aufnähme. Die Grenzwerte erlauben jedoch nur 0,08 Watt Leistung pro Kilogramm Körpergewicht. Das ist 50-mal weniger als der Wert, ab dem es zu einer Wirkung auf die Gesundheit kommen könnte.

Was heißt das nun für die Messung von Sybille und Jens? Der Grenzwert ist extra vorsichtig kalkuliert. Und in der Praxis ihrer Messung wird der vorsichtige Grenzwert bei Weitem – nämlich im Durchschnitt nicht einmal zu 1 Prozent – ausgeschöpft. Sybille und Jens sind, wie alle Bürgerinnen und Bürger, durch weit gefasste Sicherheiten geschützt. Tatsächlich lag die gemessene Funkstrahlung – ihre Exposition – sehr, sehr weit unter dem Grenzwert: um das 3.333-Fache bei Jens bzw. das 8.333-Fache bei Sybilles Messung. Zu keinem Zeitpunkt des Tages und an keinem besuchten Ort inmitten der Hauptstadt waren Sybille oder Jens elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, die auch nur annähernd Einfluss auf ihre Gesundheit haben könnten.

Sybille mit Exposimeter am Alexanderplatz. Die Strahlung an diesem zentralen Platz ist höher als anderswo, doch die Grenzwerte werden deutlich unterschritten.

Tagebuch: Vom Bett durchs Brandenburger Tor bis ins Büro

15:55 Uhr: Die Messung beginnt an einem Mittwochnachmittag. Sybille und Jens stehen nahe dem S-Bahnhof Hackescher Markt. Ihr Aufenthalt draußen macht sich in der Messung bemerkbar: Im Freien sind die elektrischen Feldstärken meist etwas höher als in Innenräumen, weil Gebäude die Strahlung dämpfen. Deshalb ist im Haus der Mobilfunkempfang meist etwas schlechter als draußen.

18:00 Uhr: Zwischenstopp am Alexanderplatz. Hier ist einiges los – nicht nur viele Menschen sind unterwegs, sondern auch viele Funkwellen. Radio, Digitalfernsehen und Mobilfunk senden Signale von Antennen ganz in der Nähe. Das zeigt die Auswertung der Messung: Am Alexanderplatz zeichnen die Exposimeter die höchsten Werte im 24-Stunden-Test auf. Der Gesamtgrenzwert wird in Jens‘ Messung am Alexanderplatz zu 1,86 Prozent ausgeschöpft.

18:10 Uhr: Auch Sybille ist mit zum Alexanderplatz gekommen. Bei ihr erreicht die Ausschöpfung hier ebenfalls ihren Spitzenwert: Der Gesamtgrenzwert ist laut Sybilles Exposimeter zu 0,75 Prozent ausgeschöpft. Sobald sie in die Straßenbahn steigt und in Richtung ihrer Wohnung im Osten Berlins fährt, flacht die Kurve ab.

Radio und Fernsehen sorgen für Strahlung auf dem Alexanderplatz

18:16 Uhr: Jens steht weiter auf dem Alexanderplatz. Dass die Strahlung hier höher ist als anderswo, trifft übrigens nicht nur auf Mobilfunkfrequenzen zu: Die höchste Feldstärke erzielt laut Jens‘ Exposimeter eine Funkfrequenz, über die das Digitalradio DAB ausgestrahlt wird. Jedoch bleibt der gemessene Spitzenwert von knapp 2,8 Volt pro Meter (abgekürzt: V/m) deutlich unter dem Grenzwert: Dieser liegt 10-mal höher bei 28 V/m.

Diese Grafik (oben) zeigt eines der Ergebnisse: Jens‘ Exposimeter zeichnet hier die Werte für eine Mobilfunkfrequenz auf. Der 4G- und 5G-Mobilfunk überträgt unter anderem in diesem Frequenzbereich Daten vom Sender zum Handy. Hier findet also der Download von Daten statt. Die rote Linie oben markiert den für diesen Frequenzbereich gültigen Grenzwert 59 V/m. Die blaue Linie unten zeigt die tatsächlich vorhandenen elektrischen Feldstärken, die oft „Strahlung“ genannt werden. Sie liegt so niedrig, dass die Grafik sie kaum noch anzeigen kann. Nur gegen 18 Uhr auf dem Berliner Alexanderplatz geht die blaue Linie leicht hoch, bleibt aber sehr weit unter der roten Grenzwertlinie.

20:00 Uhr: Sybille arbeitet abends mehrere Stunden am Laptop. Das Exposimeter misst während dreier Telefonate mit dem Mobiltelefon leicht höhere Werte als zuvor. Mit etwa 0,2 V/m liegen sie weiterhin sehr niedrig. Die Grenzwerte gelten übrigens nicht für WLAN, Bluetooth und den Uplink von Mobilfunk, also das Senden vom Gerät zu einer Basisstation. Unsere Messung hat die Werte trotzdem informativ als Vergleichsmaßstab miteinbezogen.

20:20 Uhr: Jens sitzt auf der Couch, zu Hause in Berlin-Charlottenburg, und schaut einen Film im Online-Streaming. Der Fernseher ist per Kabel mit dem Internetrouter verbunden, parallel nutzt er sein Smartphone über WLAN. Die elektrischen Feldstärken in den WLAN-Frequenzen bewegen sich nur einmal bis knapp 0,2 V/m.

Gute Nacht: Mobilfunk und WLAN machen sich nicht bemerkbar

23:30 Uhr: Jens geht ins Bett und schaltet sein Handy in den Flugmodus. Bis 7 Uhr zeigen die Messungen im Bereich, wo das WLAN funkt, eine Linie nahe null. Nur im Frequenzband bei 2.442 Megahertz (MHz) zeigt sich Aktivität. Es wird unter anderem für Bluetooth genutzt – und das blieb in der Nacht trotz Flugmodus eingeschaltet. Sybille lässt in der Nacht das Handy eingeschaltet, auffällige Werte misst das Exposimeter trotzdem nicht.

07:30 Uhr: Gleich nach dem Aufstehen arbeitet Sybille wieder am Laptop. Ihr Exposimeter misst gegen 10 Uhr einen Spitzenwert im Frequenzbereich, in dem der Mobilfunk Daten vom Handy zu einer Basisstation überträgt, also dem Upload. Dieser Spitzenwert von 0,55 V/m hat jedoch diesen Namen kaum verdient. Eine solche Feldstärke ist weit davon entfernt, die Gesundheit zu gefährden.

Im Freien misst das Exposimeter höhere Feldstärken

08:30 Uhr: In Berlin-Charlottenburg setzt sich Jens aufs Fahrrad. Etwa 25 Minuten später hält er kurz am Brandenburger Tor. Die Fahrt im Freien macht sich durch etwas höhere Feldstärken der Mobilfunkfrequenzen bemerkbar. Auch die Funkwellen des Rundfunks sind später in der Grafik sichtbar. Angekommen im Büro fallen die Messwerte fast auf null.

Jens arbeitet am Laptop, das Messgerät liegt direkt neben ihm. Er nutzt WLAN, aber auch durch WLAN-Nutzung kommt es zu keiner starken Strahlung.

09:10 Uhr: Im Büro in Berlin-Mitte arbeitet Jens am Laptop. Mobilfunk ist praktisch nicht messbar. Die Kurven in den WLAN-Frequenzbereichen bewegen sich immer mal nach oben, aber auf niedrigem Niveau.

13:00 Uhr: Zum Mittagessen ist Jens kurz am Hackeschen Markt, später im Innenhof des Bürogebäudes. Die Aufenthalte draußen zeigen sich an leicht höheren Messwerten für Mobilfunk, aber auch für Radio- und Fernsehfrequenzen.

13:20 Uhr: Im Osten Berlins macht sich Sybille auf den Weg. Draußen misst das Exposimeter auch in diesem Fall etwas höhere Feldstärken für Mobilfunk, aber auch in Frequenzbereichen, wo UKW-Radio und das digitale Fernsehen funken.

15:55 Uhr: Nach exakt 24 Stunden beenden Sybille und Jens die Messung.

So haben wir gemessen

Die verwendeten Exposimeter ExpoM-RF4 erfassen Funkwellen im Bereich von 50 Megahertz (MHz) bis 6 Gigahertz (GHz). Die Messung erfolgt in 29 Frequenzbereichen, darunter sind auch die Frequenzen des 4G- und 5G-Mobilfunks. Das WLAN zu Hause, Bluetooth-Verbindungen sowie UKW-Radio, digitales Fernsehen und der Polizeifunk fließen ebenso in die Aufzeichnungen der Exposimeter mit ein. Fachleute des Bundesamtes für Strahlenschutz haben die Daten im Anschluss ausgewertet.

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