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Fahrzeug-zu-Fahrrad-Kommunikation

Sicher radeln mit 5G

21.02.2023
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Unübersichtliche Kreuzungen, ausparkende Fahrzeuge und unachtsam geöffnete Autotüren: Für Fahrradfahrende lauern im Straßenverkehr viele Risiken. Ein 5G-basiertes Fahrrad-Assistenzsystem könnte sie künftig frühzeitig davor warnen.

Ein Radfahrer rollt über eine Stadtstraße, rechts und links parken dicht an dicht Autos. Plötzlich öffnet sich eine Autotür. Dem Radfahrer bleiben nur Sekundenbruchteile, um zu reagieren – doch es ist zu spät: Trotz Vollbremsung prallt er gegen die Autotür und stürzt auf die Fahrbahn.

Gefährliche Situationen wie diese – sogenannte „Dooring-Unfälle" (von engl. „door“, Tür) – treten immer häufiger auf. Laut der Unfallforschung der Versicherer (UDV) gehören sie mittlerweile zu den häufigsten Unfällen im Zusammenhang mit parkenden Autos. Das Projekt „Car2Bike.5G“ der Hochschule Niederrhein in Krefeld möchte das ändern. Gemeinsam mit den Unternehmen Smart Living aus Dortmund und Triopt aus Moers hat die Hochschule ein Fahrrad-Assistenzsystem entwickelt. Es kann über 5G-Mobilfunk mit Fahrzeugen in der Umgebung kommunizieren und Fahrradfahrende frühzeitig vor Gefahrensituationen warnen.

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Sogenannte Dooring-Unfälle passieren immer häufiger, ein 5G-basiertes Fahrrad-Assistenzsystem soll sie zukünftig verhindern.

Smartphone-App meldet Gefahrenstellen und gefährliche Verkehrssituationen

Auf den ersten Blick sieht das Fahrrad-Assistenzsystem aus wie eine gewöhnliche Navigations-App, mit der Radfahrerinnen und Radfahrer ihre Routen auf dem Smartphone planen können. Doch eine Live-Kartenansicht zeigt nicht nur den optimalen Weg zum Ziel, sondern auch mögliche Gefahrenstellen, wie Software-Entwicklerin Madlin Schulz von Smart Living erläutert: „Es gibt ein Forschungsprojekt, das Gefahrenstellen in ganz Deutschland gesammelt hat und diese Daten online als Open Source zur Verfügung stellt. Wir lesen sie in unser System ein, sodass man auf der Karte direkt sehen kann, wenn es auf der geplanten Route unebene Straßen oder gefährliche Ausfahrten gibt.“ Das ermöglicht es Radfahrerinnen und Radfahrern, gefährliche Straßenabschnitte auf ihrer Strecke zu umfahren.

Zugleich erhalten sie während der Fahrt Informationen: „Dabei geht es darum, dass die Radfahrenden in der akuten Situation gewarnt werden, sodass sie direkt darauf reagieren können“, sagt Schulz. Nähert sich, wie bei dem eingangs beschriebenen Dooring-Szenario, das Fahrrad einem gerade geparkten Auto, dessen Tür sich öffnen könnte, erscheint in der App ein visuelles Signal in Form eines Warndreiecks. Auch die Person, die im parkenden Fahrzeug sitzt, wird über dessen Assistenzsystem gewarnt – und kann so eine Kollision zwischen Radfahrer und Autotür verhindern.

Fahrzeug-zu-Fahrrad-Kommunikation erhöht Verkehrssicherheit

Die Voraussetzung für dieses Warnsystem ist, dass das Auto mit seiner Umgebung kommunizieren, also Signale senden und empfangen kann. Möglich macht dies die sogenannte Car-to-X-Technologie. Das „X“ steht dabei für die Umgebung des Fahrzeugs und kann sowohl die Infrastruktur wie Ampeln oder Parkplätze als auch andere Verkehrsteilnehmende wie Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrende umfassen. Es gibt zwei mögliche Übertragungswege:

  • Zum einen können Informationen über eine speziell für die Fahrzeugvernetzung entwickelte WLAN-Technik (in Europa als ITS-G5 bekannt) ausgetauscht werden. Der Datenaustausch erfolgt direkt und über kurze Reichweiten.
  • Zum anderen verfügen immer mehr Autos über eine Mobilfunkanbindung. Damit können Daten über das Mobilfunknetz an einen Server gesendet werden, der sie aufbereitet und dann an die Empfänger übermittelt. Das funktioniert auch über mehrere hundert Kilometer. Zusätzlich ist wie bei der WLAN-Variante auch eine direkte Funkverbindung zwischen den Verkehrsteilnehmenden möglich: über die sogenannte Sidelink-Kommunikation. Die Reichweite ist jedoch geringer.

Bisher bieten nur wenige Fahrzeughersteller eine Vernetzung über ITS-G5 an. Ebenso gibt es noch keinen internationalen Standard, den alle Hersteller nutzen. Teilweise können Autos, die über diese Technik verfügen, nur mit Fahrzeugen der gleichen Marke oder sogar nur des gleichen Modells kommunizieren. Das Forschungsprojekt „Car2Bike.5G“ setzt deshalb auf 5G-Mobilfunk, wie Projektleiter Prof. Christoph Degen von der Hochschule Niederrhein erklärt: „Denn 5G wird es bald mehr oder weniger überall geben.“

Prof. Christoph Degen von der Hochschule Niederrhein möchte mithilfe von 5G das Fahrradfahren sicherer machen.

Echtzeit-Kommunikation ermöglicht vorausschauendes Fahren

Der 5G-Mobilfunk bietet aber noch weitere Vorteile für die Fahrzeug-zu-Fahrrad-Kommunikation. Zum einen die Datenübertragung in nahezu Echtzeit: „Hier geht es um sicherheitsrelevante Informationen, die ausgetauscht werden. Und mit 5G ist es möglich, das in Millisekunden zu tun“, erläutert Prof. Degen. Zum anderen erfolgt diese Übertragung zuverlässig – auch wenn sich viele Nutzerinnen und Nutzer gleichzeitig im Netz befinden, so wie das im dichten Straßenverkehr der Fall sein kann.

Die Umsetzung sieht im Detail so aus:

  • Das Fahrrad-Assistenzsystem, das als App auf dem mobilen Endgerät der oder des Radfahrenden installiert und idealerweise am Lenker befestigt ist, teilt beispielsweise seine GPS-Koordinaten über das 5G-Netz mit einem Server, der sie an das System des Autos weiterleitet. Je nach Entfernung zwischen Auto und Fahrrad wird auch die Sidelink-Verbindung genutzt.
  • Das Auto wiederum sendet Signale über seine aktuelle Situation: Wurde gerade eingeparkt, öffnet sich eine Autotür, legt das Fahrzeug den Rückwärtsgang ein oder möchte es abbiegen?
  • Der Server bereitet diese Informationen auf und schickt sie als Signale an die App, die bei einer möglichen Gefahr eine Warnung ausgibt.

Das alles geschieht dank 5G unmittelbar und ohne nennenswerte Verzögerung, sodass beide Seiten schnell aufeinander reagieren können, um gefährliche Situationen und Unfälle zu vermeiden.

Vom sensor- zum mobilfunkbasierten Assistenzsystem

Um Parameter wie Reichweite, Zuverlässigkeit oder Latenzzeit bewerten zu können, wurde ein Pedelec mit verschiedenen Sensoren und Funktechnik ausgestattet.
Die Erkenntnisse daraus flossen dann in die Smartphone-App.
Programmiert wurde die App von Madlin Schulz von Smart Living.
Situationen wie diese, in dem das Auto den Rückwärtsgang einlegt, wurden dann im Campusnetz auf dem Gelände der Triopt GmbH getestet.

Vorgängerprojekt liefert Wissen und Daten

Zwei Jahre lang hat das Team um Prof. Degen daran geforscht, wie sich eine Fahrzeug-zu-Fahrrad-Kommunikation über 5G umsetzen lässt. Das Projekt wurde im Rahmen des Förderwettbewerbs 5G.NRW unterstützt. Es konnte auf die Erkenntnisse des Vorgängerprojekts „FahrRad“ der Hochschule Niederrhein aufbauen, in dem Konzepte erarbeitet wurden, um das Fahrradfahren insbesondere für ältere Menschen komfortabler und sicherer zu machen.

Dazu gehörte auch die Ausstattung eines Pedelecs mit Kameras, Radar und weiteren Sensoren, wie man es auch von modernen Autos kennt. „So erkennt das Fahrrad selbst seine Umwelt und wird darauf basierend gewarnt“, erzählt Prof. Degen. „Das funktioniert technisch. Aber es macht finanziell nicht so viel Sinn, jedes Fahrrad so auszustatten.“ Zudem nimmt das Fahrrad so nur Gefahren in seiner Sichtweite wahr. Mit „Car2Bike.5G“ wollten die Forschenden Radfahrende jedoch auch vorausschauend warnen können. Deshalb entwickelten sie das 5G-basierte Fahrrad-Assistenzsystem auf Grundlage der Car-to-X-Kommunikation in Form einer Smartphone-App. Der Praxistest fand auf dem Gelände der Triopt GmbH statt. Sie hat zu diesem Zweck ein privates 5G-Netz, ein sogenanntes Campusnetz, aufgebaut.

Wichtige Rahmenbedingungen für den vernetzten Straßenverkehr

Nach Abschluss des Projekts im Laufe des Jahres 2023 wird die Smartphone-App unter dem Namen „SABINA – smart way of safe bike navigation“ für Nutzerinnen und Nutzer kostenfrei zur Verfügung stehen. Doch bis sie optimal im Straßenverkehr genutzt werden kann, müssen noch wichtige Rahmenbedingungen geschaffen werden, sagt Prof. Degen: „Die Automobilhersteller und alle Beteiligten müssen nun den gemeinsamen Schritt gehen und anfangen, Fahrzeuge auszustatten. Und auch die Mobilfunkgerätehersteller müssen die Kommunikation mit Fahrzeugen sowie alle Dienste, die damit verknüpft sind, unterstützen.“

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