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Smarte Sensoren

5G lässt den Wald sprechen

21.06.2023
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Hitze, Trockenheit und Stürme: Wetterextreme als Folge des Klimawandels schwächen zunehmend unsere Wälder. In Niedersachsen erforscht ein Team, wie intelligente Waldsensoren und 5G-Mobilfunk helfen können, frühzeitig auf diese Entwicklung zu reagieren und die Folgen einzudämmen.

Lässt sich der Wald digitalisieren? Wenn Prof. Ina Schiering über das Projekt „Smart Forestry“ spricht, stößt sie bei manchen Bürgerinnen und Bürgern zunächst auf Unverständnis: „Wir hören oft: ‚Der Wald ist doch ein Rückzugsort und so beschaulich, den sollte man doch sich selbst überlassen‘“, sagt Schiering. „Aber der Stress, der jetzt durch den Klimawandel in den Wäldern ausgelöst wird, lässt sich mit den traditionellen Begehungen alle paar Jahre oder Jahrzehnte nicht ausreichend erfassen."

Schiering ist Professorin für Informatik an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und Teilprojektleiterin von „Smart Forestry“. Das Projekt will erforschen, wie intelligente Waldsensoren und 5G-Mobilfunk der Forstwirtschaft helfen können, den Wald künftig besser an die durch den Klimawandel verursachten Wetterextreme anzupassen. Beteiligt sind neben der Ostfalia Hochschule unter anderem auch die Niedersächsischen Landesforsten, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, das Thünen-Institut für Waldökosysteme und die Stiftung Zukunft Wald.

Digitalisierung soll den Wald fit für den Klimawandel machen

Mit rund 10,7 Millionen Hektar ist etwa 30 Prozent der Fläche Deutschlands mit Wald bedeckt. Er ist Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Erholungsraum für den Menschen, Rohstofflieferant und Kohlenstoffspeicher – und damit auch Klimaschützer. Um ihn zu erhalten, muss die Forstwirtschaft schon heute den Wald für die nächsten Jahrzehnte planen und dafür sorgen, dass dort Baumarten wachsen, die dem sich rasant wandelnden Klima standhalten.

Dafür werden Daten gebraucht: Wie reagiert der Wald auf Klimaveränderungen? Welche Bäume leiden besonders unter den sich verändernden Klimabedingungen, welche gedeihen hingegen gut? Wo muss der Wald umgebaut, also mit neuen Baumarten bepflanzt werden, und wo kann er erhalten werden?

Bisher erfassen Fachleute solche Daten durch regelmäßige Waldbegehungen, zum Beispiel im Rahmen der Forsteinrichtung im Forstbetrieb. Oder durch die Erhebung von Stichproben, wie etwa bei der Waldzustandserhebung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft oder der Bundeswaldinventur. „Diese Daten werden dann in Form von Tabellen bereitgestellt oder durch Eintragungen in Karten visualisiert“, erläutert Schiering. Mit dem Projekt „Smart Forestry“ wollen sie und ihr Team zeigen, wie die Digitalisierung diesen Prozess beschleunigen und den Waldumbau und die Holzernte unterstützen kann.

Netzwerk von Sensoren sammelt Daten über Waldzustand

Die Idee: Ein Netzwerk von Sensoren überwacht den Zustand des Waldes und liefert relevante Daten – zur Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, der Blätter und des Bodens, zum Wachstum und Saftfluss der Bäume sowie der Helligkeit im Wald. „Anhand dieser Daten können wir dann frühzeitig Muster und Trends erkennen und sagen, wenn es einem Baum nicht gut geht – auch wenn man es ihm vielleicht noch nicht ansieht“, sagt Prof. Andreas Ligocki von der Fakultät für Maschinenbau, der im Projekt für die Waldsensorik zuständig ist.

Ein Versuchsaufbau befindet sich im Lechlumer Holz, einem Waldgebiet am Stadtrand von Wolfenbüttel. Hier werden die Anforderungen an ein solches Sensornetzwerk unter realen Bedingungen getestet. Dazu wurden Bäume und Waldboden mit IoT-Sensoren ausgestattet. IoT steht für „Internet of Things“ und bedeutet, dass die Sensoren untereinander und mit dem Internet verbunden sind.

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Wie geht es dem Wald? Intelligente Waldsensoren geben Auskunft und können helfen, die Folgen des Klimawandels einzudämmen.

Funk und Energie sind technische Herausforderungen im Wald

Um Daten aus dem Wald zu übermitteln, braucht es ein Funknetz. Doch während die 5G-Mobilfunkabdeckung in Wolfenbüttel sehr gut ist, gibt es im Wald noch viele Funklöcher. „Wald ist Extremgebiet – vor allem von den Anforderungen her. Ein Industriegelände zum Beispiel ist immer gut mit Antennen versorgt. Auch ein weitläufiges Gelände ist kein Problem. Aber im Wald können die Bäume den Funkempfang stören“, so Ligocki. Man spricht hier von einer hohen Funkdämpfung.

Eine weitere Herausforderung ist die Energieversorgung. Prof. Diederich Wermser von der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik hat die Übertragungstechnik mitentwickelt und erklärt: „Wir haben im Wald keine Stromanschlüsse und müssen daher die nötige Energie durch Energy Harvesting ernten.“ Der Strom für den Betrieb der Waldsensorik und Funktechnik muss also aus der Umgebung gewonnen werden – zum Beispiel über Solar- oder Windenergie.

Aus dem Wald in die Cloud – über 5G

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt das Forschungsprojekt derzeit auf Brückentechnologien und betreibt ein eigenes Funknetz mit der LoRaWAN-Technologie (Long Range Wide Area Network). „Diese Technologie ist darauf optimiert, mit wenig Energie auszukommen, für niedrige Bitraten nutzbar zu sein und eine hohe Funkdämpfung zu überwinden“, erläutert Wermser.  

Die Sensoren sind mit einem eigenen Funkmodul ausgestattet und senden ihre Daten in regelmäßigen Abständen über LoRaWAN an eine Funkstation. Diese steht auf einer Waldlichtung und wird mit Solarenergie und einem Batteriespeicher betrieben. Sie verbindet das LoRaWAN mit einem Mobilfunknetz und bildet ein sogenanntes Gateway. Über 5G werden die Daten dann in eine Cloud gesendet und stehen dort für die weitere Auswertung insbesondere mittels Künstlicher Intelligenz zur Verfügung.

Der Wald wird digital

Eine solarbetriebene Funkstation empfängt die Sensordaten aus dem Wald und leitet sie über das 5G-Netz weiter.
Prof. Andreas Ligocki demonstriert einen Wachstumssensor, den das Projekt „Smart Forestry" einsetzt.
Wer darf auf die im Wald gesammelten Daten zugreifen und sie nutzen? Prof. Ina Schiering (links) beschäftigt sich mit der sogenannten Data Governance.
Informationstafeln wie diese im Lechlumer Holz geben den Bürgerinnen und Bürgern einen Überblick über das Projekt und seine Ziele.
Wie kann der smarte Wald auch für die Umweltbildung genutzt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich Elisabeth Hüsing (Mitte) von der Stiftung Zukunft Wald.

Projekt zeigt das Potenzial von 5G auf

Langfristig soll LoRaWAN durch ein öffentliches 5G-Mobilfunknetz ersetzt werden. Hierfür wird jedoch eine spezielle Fähigkeit benötigt: massive Machine Type Communications (mMTC). Ein 5G-Netz mit mMTC unterstützt eine hohe Anzahl von Geräten im IoT, hat einen geringen Stromverbrauch und gewährleistet auch an herausfordernden Orten wie im Wald eine zuverlässige Mobilfunkkommunikation. Bislang wird die Anwendung von 5G mMTC aber nur in Laboren erforscht.

„Wenn der 5G-Mobilfunk mit diesem Profil in Deutschland flächendeckend ausgebaut wäre, müssten wir nur noch Sensoren mit einem entsprechenden 5G-Funkmodul im Wald verteilen“, sagt Ina Schiering. Sie sieht in Projekten wie ihrem die Chance, die digitale Transformation auch in Bereichen wie der Forstwirtschaft voranzutreiben. „5G-Forschungsprojekte haben die Aufgabe, solche Anwendungen zu erproben und den vollen Funktionsumfang von 5G zu demonstrieren.“

Forstwirtschaft und Bevölkerung können aktiv mitmachen

Das Projekt arbeitet daher auch eng mit Interessengruppen aus der Forstwirtschaft zusammen. „Zurzeit werden die Daten bei uns in einer Cloud gespeichert und visualisiert. Ziel ist es, auf dieser Basis den Dialog mit den Stakeholdern zu gestalten und in einem partizipativen Prozess Antworten auf Fragen zu erhalten: Was wollen sie über den Forst wissen? Was sind die Herausforderungen in ihrem Beruf? Was würde sie weiterbringen – gerade in Hinblick auf Klimawandel und Waldumbau?“, so Schiering.

Das Sensornetzwerk zur Überwachung des Waldzustands ist einer von drei Anwendungsfällen, die im Rahmen des Projekts untersucht werden. Darüber hinaus erproben die Projektpartner eine über 5G vernetzte Holzernte und entwickeln im Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern ein Informationssystem. „Sie können dann zum Beispiel mit einer App auf dem Handy nachschauen, wie es heute im Wald aussieht“, sagt Ligocki.

Ein weiteres Einsatzgebiet des Informationssystems ist die Umweltbildung für Kinder und Jugendliche. Diesem Thema widmet sich Elisabeth Hüsing, Direktorin der Stiftung Zukunft Wald. Ihre Organisation hat bereits mehr als 70 Schulwälder gepflanzt, die von Schulklassen betreut werden. So lernen die Kinder, nachhaltig mit der Natur umzugehen. Die Teilnahme am Projekt „Smart Forestry“ sieht Hüsing als große Bereicherung: „Die Digitalisierung darf nicht im Klassenzimmer Halt machen, aber auch nicht im Wald. Es ist toll, dass wir durch das Projekt Zugang zu solchen Sensoren bekommen und beides miteinander verknüpfen können. Das ist die beste waldbezogene Umweltbildung, die wir uns wünschen können.“

Das Projekt „5G Smart Country“

Das Reallabor „5G Smart Country“ in Niedersachsen wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen des 5G-Innovationswettbewerbs gefördert. Es besteht aus zwei Teilprojekten: Während bei „Smart Forestry“ der Wald und die Holzernte im Mittelpunkt stehen, wird im Projekt „Smart Farming“ erforscht, wie datenbasierte Anwendungen und 5G-Mobilfunk eine effizientere und nachhaltigere Produktionsweise in der Landwirtschaft ermöglichen. Beide Teilprojekte werden von einem großen Forschungskonsortium unter der Leitung der Landkreise Wolfenbüttel und Helmstedt durchgeführt. Weitere Informationen finden Sie hier.

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