Ihr Arbeitsplatz liegt im steilsten Weinberg Europas: Angelina und Kilian Franzen bewirtschaften den Bremmer Calmont an der Mosel – mit reiner Handarbeit. Bald schon soll 5G-Mobilfunk sie dabei unterstützen.
Angelina und Kilian Franzen stehen am Hang und schneiden Trauben von den Rebstöcken. Hinter ihnen schlängelt sich die Mosel, neben dem Fluss liegt ihr Heimatort Bremm. Der Ausblick von hier oben, vom Bremmer Calmont, ist einzigartig und der Pfad, der zwischen den Weinbergterrassen entlangführt, daher auch als Ausflugsziel besonders beliebt. Als Winzerin und Winzer muss man hier vor allem eins sein: schwindelfrei. Denn mit 65 Grad Neigung ist der Bremmer Calmont der steilste Weinberg Europas. Die Lese der Trauben erfolgt daher noch ausschließlich per Hand, konventionelle Maschinen haben bei solchen Hängen keine Chance.
Das erschwert den Weinanbau nicht nur, sondern macht ihn auch zeitintensiv und gefährlich. Herausforderungen, die viele Winzerinnen und Winzer in den vergangenen Jahren dazu bewegt haben, ihre Steilhänge entlang der Mosel aufzugeben. Angelina und Kilian Franzen ließen sich davon jedoch nicht abschrecken, im Gegenteil: Das junge Winzerpaar setzt sich dafür ein, dass diese einzigartige Kulturlandschaft erhalten und der Weinanbau an den steilsten Hängen Europas weiterhin wirtschaftlich bleibt – und das mithilfe von 5G.
Robotik und Mobilfunk machen die Arbeit am Steilhang zukunftsfähig
Als eines von zwei Weingütern beteiligen sich die Franzens am Forschungsprojekt „Smarter Weinberg“. In ihren Steilhängen werden Hightech-Lösungen erprobt, die sie bei der Arbeit unterstützen und diese erleichtern sollen: Geplant sind unter anderem Drohnen, die Pflanzenschutzmittel ausbringen, Roboter, die den Boden bearbeiten und die Entlaubung vornehmen, und ein Sensornetzwerk samt Bilderkennung, das die Steuerung der Geräte ermöglicht, aber auch Wetterdaten liefert und den Zustand der Reben überwacht. Außerdem soll es eine Datenplattform geben, auf der wichtige Informationen gesammelt, ausgewertet und für die Winzerbetriebe aufbereitet werden.
Um die Geräte im Weinberg präzise steuern und Anweisungen in Echtzeit übermitteln zu können, braucht es hohe Übertragungsraten und kurze Reaktionszeiten. Das Projekt setzt daher auf 5G. Ziel ist es, dass die Winzerinnen und Winzer später einmal bequem von ihrem Weingut aus über das öffentliche Mobilfunknetz mit ihren Robotern im Weinberg kommunizieren können. Angelina Franzen gibt zu, dass sie am Anfang etwas skeptisch war, ob sich die Pläne wirklich so umsetzen lassen: „Aber als wir dann bei den ersten Gesprächen dabei waren, ist uns aufgefallen, wie sehr jedes Detail mitbedacht wird und wie viel Wissen alle mitbringen. Jetzt glaube ich fest daran, dass es was wird.“
Das Projekt wird von der Universität Koblenz-Landau unter der Führung von Prof. Maria Wimmer geleitet. Beteiligt sind außerdem die Kreisverwaltung Cochem-Zell, das Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Mosel sowie Sensorik-, Software-, Drohnen- und Weinbautechnikunternehmen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr fördert den "Smarten Weinberg" im Rahmen seines 5G-Innovationswettbewerbs.
Digitalisierung hilft, die Kulturlandschaft an der Mosel zu erhalten
Als Winzerinnen und Winzer stellen die Franzens nicht nur ihre Weinberge für das Projekt zur Verfügung, sondern stehen den Forschenden auch mit ihrer langjährigen Erfahrung zur Seite. Denn Angelina und Kilian Franzen bewirtschaften die Steilhänge schon seit mehr als 12 Jahren. Zudem befinden sich diese seit mehreren Generationen im Besitz der Familie Franzen. Es steckt also viel Tradition und Leidenschaft in ihrer Arbeit. „Uns liegen diese Steillagen sehr am Herzen, und wir haben die Hoffnung, dass in diesem Projekt Lösungsansätze entwickelt werden – für den Pflanzenschutz, aber auch für die Bodenbearbeitung in solch unzugänglichen Weinbergen. Und dass man diese Kulturlandschaft, die sehr einzigartig ist, hier an der Mosel erhält“, erklärt Kilian Franzen.
Ein so traditionsreiches Handwerk wie den Weinbau mit Technologien wie 5G zu modernisieren, ist für die Franzens kein Widerspruch: „Das Wichtigste ist, dass man einen Zwischenweg zwischen dem Traditionellen und dem Modernen findet. Also das, was die Generation vor uns gemacht hat, mit neuen, innovativen Ideen zu verbinden. Und da spielt Digitalisierung natürlich eine wichtige Rolle, denn dadurch wird alles wirtschaftlicher und ein bisschen einfacher zu organisieren“, sagt Angelina Franzen.
Vom Traditionsbetrieb zum Vorreiter für den Weinbau von morgen
Daten als Grundlage für zielgenaues Arbeiten
Ein Beispiel dafür ist das Austragen von Pflanzenschutzmitteln: Zurzeit wird dies noch mit einem Hubschrauber gemacht, den die Winzerinnen und Winzer immer zu Beginn des Jahres mit festen Terminen buchen müssen. Unabhängig vom Wetter und Bedarf trägt der Hubschrauber dann das Jahr über große Mengen an Schutzmitteln aus.
Eine flexiblere Lösung ist die über 5G vernetzte Drohne: Sie wird je nach Bedarf automatisiert fliegen können. Die Grundlage dafür liefern die im Weinberg gesammelten Daten, etwa zum Zustand der Reben. Die Winzerinnen und Winzer erhalten dazu Updates in Echtzeit und können so auch spontan reagieren. Neben dieser Flexibilität wird die Drohne auch ein zielgenaues Spritzen ermöglichen, denn sie kommt näher an die Pflanzen heran. Dadurch wird nicht zuletzt auch die Umwelt geschont und Pflanzenschutzmittel gespart.
Bis die Moselwinzerinnen und -winzer die ersten Anwendungen in ihrem Alltag einsetzen können, wird noch etwas Zeit vergehen. Das Projekt ist Anfang 2022 gestartet, aktuell werden vor allem Anforderungen für die Umsetzung erhoben, zum Beispiel: Wie ist der Weinberg beschaffen? Wo stehen die einzelnen Rebstöcke? Wird der Mobilfunkempfang durch sie behindert? Und wo sind Hindernisse für die Roboter zu erwarten? Erste wichtige Schritte, um die Steillagen entlang der Mosel zu bewahren, sind damit getan – sodass Spazierende wie Winzerinnen und Winzer auch in Zukunft den Ausblick auf die Weinbergterrassen genießen können.
Erfahren Sie mehr zum Projekt „Smarter Weinberg“ und zur Arbeit von Angelina und Kilian Franzen in unserer Videoserie „Mensch & Maschine“.
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