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Park-Klinikum Leipzig

Visite im Krankenhaus der Zukunft

14.12.2020
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Das Leipziger Park-Klinikum testet ein eigenes 5G-Netz. So können Ärztinnen und Ärzte aus der Ferne medizinische Geräte kontrollieren. Dies verbessert die Behandlung und ebnet den Weg für Telemedizin – damit auch Menschen auf dem Land optimal versorgt sind.

Christoph Thümmler hat an diesem Morgen einen wichtigen Teil seiner Arbeit schon erledigt. Es ist 10 Uhr und der Chefarzt kommt gerade zurück von seinem Rundgang durch die Patientenzimmer. Thümmler, ein Mann mit freundlichem Blick und Lachfalten um die Augen, nimmt Platz vor einem bunten Plakat. Es ist eine Collage: Die Leipziger Nikolaikirche ist darauf zu sehen und viel digitale Technik drum herum. Der erfahrene Fachmann für Geriatrie begeistert sich nämlich nicht nur für die Altersmedizin, sondern ebenso für Algorithmen.

Prof. Dr. Christoph Thümmler verspricht sich eine bessere Übersicht: Medizinische Geräte werden mit 5G vernetzt. So laufen Daten zusammen und weniger Informationen gehen verloren.

Thümmlers Arbeitsplatz, die Geriatrie-Station im Helios Park-Klinikum Leipzig, ist deshalb Schauplatz eines zukunftweisenden Tests: Das Krankenhaus und das benachbarte Herzzentrum bekommen ihr eigenes 5G-Mobilfunknetz. Mit 5G haben Unternehmen oder auch Kliniken erstmals die Chance, ihr eigenes lokales Netz zu betreiben – das sogenannte Campusnetz ist dann abgestimmt auf ihre Bedürfnisse und abgetrennt von öffentlichen Netzen. Herzzentrum-Direktor Gerhard Hindricks teilt Thümmlers Begeisterung fürs Digitale und sagt: „Diese Technologie wird uns erlauben, in der Medizin alles anders zu machen. 5G ist eine Schlüsseltechnologie, um Medizin neu zu denken.“

Spritzenpumpen gehen online

Doch wozu braucht ein Krankenhaus ein eigenes Mobilfunknetz? Chefarzt Thümmler erläutert dessen Nutzen an einem Standardgerät in einem modernen Krankenhaus, der Spritzenpumpe. Solche Geräte sorgen für einen kontinuierlichen Fluss von Injektionen oder Infusionen. Der Wirkstoff fließt über einen Zugang ins Blut des Patienten. Thümmler will im Park-Klinikum zunächst solche Spritzenpumpen mit dem 5G-Netz verbinden. Denn so könnten die Geräte von sich aus Fehler melden, erläutert er: „Es kommt immer wieder vor, dass man eine Spritzenpumpe anschließt, nach einer Stunde wiederkommt und sieht: Es ist gar nichts geflossen, weil ein Knick im Schlauch ist.“ Künftig könnte die Pumpe einen solchen Fehler oder auch den Ladestand der Batterie kommunizieren, sodass alle Informationen auf einem Bildschirm zusammenlaufen.

Das Ziel: Mit vielen vernetzten medizintechnischen Geräten entsteht eine Art digitales Abbild aller Vorgänge auf einer Station oder in einer gesamten Klinik. „Auf der Station tutet, piept und hupt es so viel – das ist fürs Pflegepersonal kaum noch wahrnehmbar“, sagt Thümmler. „Deshalb wollen wir Vorgänge virtualisieren, sodass auf einem Display alles sichtbar wird, was gerade passiert.“

Vernetzung ebnet Telemedizin den Weg

Doch das ist nur der erste Schritt. Um Medizingeräte zu vernetzen, würde oftmals auch ein übliches WLAN ausreichen. Thümmler denkt jedoch schon weiter – und weit über die Klinik hinaus: „Je mehr wir virtualisieren, desto unabhängiger werden wir vom Raum Krankenhaus. So kann ich irgendwann Patienten betreuen, die gar nicht in meiner Nähe sind.“ Der Altersmediziner blickt dabei auf den demografischen Wandel: Der Anteil älterer und betreuungsintensiver Menschen steigt. „So viele Krankenhäuser können wir ja gar nicht bauen, um alle über 70-Jährigen optimal zu versorgen“, sagt Thümmler.

Prof. Dr. Gerhard Hindricks will mit seinen Patientinnen und Patienten in Verbindung bleiben: Vernetzte Geräte könnten ihren Zustand von überall via 5G in die Klinik übermitteln.

Hindricks stimmt zu: „Man kann nicht in jeder Ecke der Republik alle Kompetenzen in der Breite und Tiefe vorhalten, die moderne Medizin heute bietet.“ Er will stattdessen „neue Räume für Gesundheit schaffen“. Der Kardiologe geht davon aus, dass Patientinnen und Patienten in der Zukunft selbst für spezielle Therapien nicht mehr durchgängig in die Spezialklinik kommen müssen. Sie könnten – dank vernetzter medizinischer Geräte – in einem Krankenhaus ihres Wohnortes liegen oder gleich dort, wo sie sich am wohlsten fühlen: im eigenen Zuhause. Telemedizin kann laut Hindricks die medizinische Versorgung insgesamt verbessern: „Viele Fortschritte, die Patienten in der stationären Behandlung machen, bleiben danach ambulant auf der Strecke. Und das hängt stark mit mangelndem Datenfluss zusammen.“

Sorgen um Mobilfunk-Strahlung sind unbegründet

Zu möglichen Vorbehalten gegenüber 5G haben die beiden Ärzte eine klare Meinung. Sie wollen Kritikerinnen und Kritiker darüber aufklären, dass viele Ängste zum Thema Mobilfunk-Strahlung unbegründet sind. „Es gibt keine Risiken für Mitarbeiter und Patienten, die auch nur im Ansatz erkennbar sind“, sagt Hindricks. „Der Schutz von Patienten und Mitarbeitern steht für uns über allem.“ Das gilt natürlich auch für empfindliche Maschinen im Klinikumfeld. Thümmler ergänzt deshalb: „Strahlung ist in Europa streng reglementiert. Wir haben Frequenzen beantragt, kennen alle Verordnungen und lassen die Anlagen von Profis installieren – damit alle nötigen Vorkehrungen getroffen werden.“

Die erwähnten Profis haben keine weite Anreise zum Leipziger Klinikum: Für die Technik ist ein Fachbetrieb aus Sachsen zuständig. Deren Experten installieren im Prinzip ein lokales Mobilfunknetz, aber im Miniaturformat. Für solche Netze sind bei 5G erstmals eigene Frequenzen vorgesehen. Wie die öffentlichen Netze besteht es aus zentralen Computerservern, dem sogenannten Kern oder Core, sowie kleinen Einheiten mit Funktechnik und Antennen. Zugang haben aber nur die Geräte der Klinik.

Digitalisierung kann Ärztinnen und Ärzte entlasten

Nicht jedes Zimmer im Krankenhaus bekommt eine Antenne. Die Strahlung sei deshalb nur gering, erläutert die Fachfirma: „Im Innenbereich ist, ähnlich wie bei WLAN-Netzen, eine kleinzellige und verteilte Struktur von Sendeeinheiten notwendig. Ihre Strahlungsleistungen sind vergleichbar mit einem WLAN-Zugangspunkt. Sie liegen im Bereich bis zu 250 Milliwatt und damit weit unter den 10 Watt, ab denen eine Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur erforderlich wäre.“ Die Technik entspricht den gültigen strengen Grenzwerten, sodass sich auch Trägerinnen und Träger von Implantaten keine Sorge machen müssen. Das gilt auch für den Arbeitsschutz. Die Firma verweist unter anderem auf die Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV) und die Vorschrift 15 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Kardiologe Hindricks glaubt, dass die Digitalisierung der Medizin neue Freiräume schafft, die den Patientinnen und Patienten zugutekommen: „Wir Ärzte werden wieder mehr als Ärzte tätig sein können und haben weniger Routineaufgaben und Administration. Technologie entlastet uns und gibt uns wieder mehr Zeit für Gespräche. Dann hängen die Begriffe Emotion und Empathie nicht nur an der Wand, sondern dann leben wir diese Werte endlich wieder.“

Das Projekt

Der Freistaat Sachsen fördert den 5G-Test im Helios Park-Klinikum Leipzig unter dem Namen 5G_eHealthSax. Funktioniert das Netz, soll es weitergehen: Die Macher wollen mit Medizintechnik-Fachleuten kooperieren, um neuartige vernetzte Geräte auszuprobieren. Kontakte hat das Klinikum auch zum Projekt Momentum an der Universität Leipzig. Dort geht es darum, eine sichere digitale Kommunikation vom Unfallort bis in die Klinik aufzubauen.

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